Die Rote Liste der Brutvögel Luxemburgs 2024

Die Aktualisierung der Roten Liste durch natur&ëmwelt a.s.b.l. zeigt einen erneuten deutlichen Rückgang vieler einst häufiger Vogelarten. Gründe dafür sind in erster Linie die Verschlechterung der Habitate und die Veränderungen durch die Klimakrise. Auch wenn der Negativtrend nur durch grundlegende Veränderungen aufgehalten werden kann, so stimmen die Stabilisierung einiger Arten durch Naturschutzprogramme und das Inkrafttreten der Nature Restoration Law hoffnungsvoll.

Situation der Brutvögel Luxemburgs verschlechtert sich

Innerhalb der letzten 5 Jahre hat sich die Situation der Brutvögel in Luxemburg weiter verschlechtert. Mittlerweile sind die Brutpopulationen von 14 Arten auf nationaler Ebene ausgestorben, 7 sind kritisch gefährdet, 8 stark gefährdet, 13 Arten werden als gefährdet eingestuft und 24 Arten sind auf der Vorwarnliste. Im Vergleich zur letzten Roten Liste konnten sich die Bestände von Arten verbessern, bei denen gezielte Schutzprojekte durchgeführt wurden. Jedoch nehmen die Bestände einiger einst häufiger Arten derart schnell ab, dass diese womöglich bald zu den am meist gefährdeten Arten gehören werden.

Die Brutbestände des Wachtelkönigs und des Haselhuhns sind leider komplett erloschen; Raubwürger und Feldschwirl vom Erlöschen bedroht. Einst häufig vorkommende Arten wie die Schleiereule und der Feldsperling sind mittlerweile stark gefährdet; Teichrohrsänger und Rohrammer gelten neuerdings als gefährdet. Noch schlimmer als der Artenschwund ist der Rückgang der Populationen einiger Arten.

 

Habitatverlust und Klimakrise als Ursachen

Der Rückgang der Brutvogelarten ist vor allem auf den schlechten Erhaltungszustand ihrer Lebensräume zurückzuführen. Zwei Drittel der natürlichen Lebensräume gemäß der Europäischen Habitatrichtlinie sind in einem „unzureichenden“ bzw. „schlechten“ Erhaltungszustand. Insbesondere Feuchtgebiete, aber auch viele Habitate des Offenlandes sind immer seltener in einem guten Zustand.

Aber auch die Klimakrise ist für die Veränderungen der Brutvogelarten in Luxemburg verantwortlich: zum einen verlagern sich die Vorkommen einiger Arten weiter nach Norden, zum anderen wandern wärmeliebende Arten aus südlicheren Gegenden ein. Verlierer sind hierbei vor allem diejenigen Zugvogelarten, die ihre Migration nicht an die schnellen Änderungen des Klimas anpassen können.

 

Stabilisierung einiger Arten dank Naturschutzprogrammen

Auch wenn die Gesamtsituation der Vogelarten sich in Luxemburg verschlechtert, so gibt es dennoch einige Lichtblicke: die Bestände des europaweit gefährdeten Schwarzstorchs, Uhu und Kolkraben haben sich gefestigt und erfreulicherweise sind das Blaukehlchen und die Zaunammer in Luxemburg als Brutvögel zurückgekehrt.

Der praktische Naturschutz mit seinen Artenschutzprogrammen, Renaturierungen und Gebietsausweisungen trägt also seine Früchte: so brüten Weißstorch mittlerweile alljährlich im renaturierten Alzettetal, der Bestand des Steinkauzes konnte dank Nistkästen und Schutz der Brutreviere gefestigt werden und der Bestand der Heidelerche profitiert nach dem Ausweisen von Schutzgebieten von den zusätzlichen Maßnahmen zum Erhalt ihrer Brutreviere.

 

Regierung muss Prioritäten anders setzen

Die kleinen Lichtblicke reichen allerdings keineswegs aus, um die Kehrtwende einzuleiten. In diesem Sinne verfolgt natur&ëmwelt auch mit Besorgnis die Ankündigungen der Regierung zu den Prozedurvereinfachungen in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft und Wohnungsbau. Angesichts des schlechten Zustandes der Natur in Luxemburg, sowie der Klima- und Biodiversitätskrise werden hier falsche Prioritäten gesetzt.

Es muss vielmehr gezielter, schneller und großflächiger geschützt und Lebensräume wiederhergestellt werden, unter anderem mit Hilfe der praktischen Umsetzung in Luxemburg der Nature Restoration Law. Zudem gilt es Naturschutz als Chance für die Landwirtschaft zu nutzen. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und den sich verändernden Konsumgewohnheiten der Gesellschaft bietet die Wiederherstellung der Natur eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirtschaft und stärkt somit die Resilienz der Landwirtschaft und zugleich der gesamten Gesellschaft.

 

Ein Blick in die einzelnen Kategorien

Kategorie 0 – „Bestand erloschen“ (regionally EX): 14 Arten (-3 ; +2)

In Luxemburg als Brutvogel erloschen gelten Vogelarten, bei denen seit mindestens 10 Jahren kein regelmäßiges Brutvorkommen vorliegt und seit mindestens 5 Jahren kein Brutnachweis dokumentiert wurde. Neu in dieser Kategorie sind der Wachtelkönig und das Haselhuhn, welche diese Kriterien erfüllen.

Besonders tragisch ist dies beim Haselhuhn: die in Mitteleuropa vorkommende Unterart rhenanus scheint hauptsächlich durch die Fragmentierung ihres Lebensraumes gänzlich ausgestorben zu sein. Der Lebensraum des Wachtelkönigs sind insektenreiche Feuchtwiesen wie sie ehemals z.B. im Roeserbann zu finden waren. Mit dem Wachtelkönig sind dort auch Braunkehlchen, Schafstelze und Wiesenpieper verschwunden.

Erfreulicherweise sind zwei Vogelarten als Brutvögel wiedergekehrt, nämlich das Blaukehlchen und die Zaunammer. Letztere besiedelt wieder Weinbergsbrachen im Moseltal, die sie in den 1940er Jahren aufgegeben hat.

 

Kategorie 1 – „Bestand vom Erlöschen bedroht“ (CR): 7 Arten (-2 ; +2)

Zur dieser Kategorie zählen Vogelarten, deren Vorkommen unverändert hoch vom Erlöschen bedroht sind oder deren Brutbestände in den letzten 25 Jahren um mehr als die Hälfte abgenommen haben, bzw. Arten welche starke Arealverluste hinnehmen mussten und die heute nur noch mit weniger als 20 Brutpaaren in Luxemburg vorkommen.

Neu in dieser Kategorie ist der Feldschwirl, eine einst häufige Art feuchter Lebensräume, deren Bestand von einst mehreren hundert auf nur noch 10-20 Brutpaare zurückgegangen ist.

Beim Raubwürger konnte es nicht geschafft werden, den starken Rückgang zu stoppen. Er gehört mittlerweile zu den am stärksten bedrohten Arten in der Großregion: von etwa 100 Brutrevieren im Jahr 2000 gibt es aktuell noch 10-12.

 

Kategorie 2 – „Stark gefährdet“ (EN): 8 Arten (-2 ; +2)

Arten mit sehr starker Bestandsabnahme (> 50 %) und landesweit weniger als 100 Paaren gelten als stark gefährdet.

Einst kam die Schleiereule in jedem Dorf mit mehreren Brutpaaren vor, doch sowohl das Verschwinden geeigneter Brutplätze (Scheunen und Kirchtürme), wie auch die Banalisierung der Dorfränder führte unweigerlich zum Rückgang. Mittlerweile liegt der Bestand bei nur noch 40-60 Brutpaaren.

Noch drastischer ist der Rückgang des Feldsperlings, der im Zentrum und Süden des Landes nicht mehr vorkommt und im Norden und Osten sehr stark zurückgegangen ist.

 

Kategorie 3 – „Gefährdet“ (VU): 13 Arten (-3 ; +5)

Als gefährdet gelten Arten mit einer Bestandsabnahme von mehr als 50 % und mehr als 100 Paaren in Luxemburg, aber auch solche mit weniger als 100 Paaren und einer Bestandsabnahme von mindestens 20 %.

Auch wenn sich in dieser Kategorie mit Schwarzstorch, Uhu und Steinkauz einige Arten wiederfinden, deren Bestände durch Schutzprogramme zunehmen, so bedeutet dies nicht, dass ihre Vorkommen ab nun gesichert sind.

Doch auch in dieser Kategorie gibt es Verlierer und mit Teichrohrsänger und Rohrammer wiederum 2 Arten, deren Bestände noch vor einigen Jahren stabil waren. Doch der Rückgang von Feuchtgebieten und insektenreichen Feuchtwiesen fordert auch hier seinen Tribut.

 

Kategorie V – „Vorwarnliste“ (NT): 24 Arten (-6 ; +6)

Die Vorwarnliste enthält Vogelarten, die trotz eines Bestandsrückganges von 20 % und mehr, noch mit über 100 Paaren in Luxemburg brüten. Auch seltene Arten mit einem stabilen Bestand unter 100 Paaren stehen auf der Vorwarnliste. Arten, von denen über 100 Brutpaare bekannt sind, werden nur dann auf der Vorwarnliste geführt, wenn sie von Risikofaktoren betroffen sind.

Neu in der Vorwarnliste sind u.a. Hauben- und Tannenmeise sowie Sommer- und Wintergoldhähnchen, die in den nächsten Jahren stark vom Absterben der Fichtenwälder leiden werden.

Der Bestand des Rotmilan hat in den letzten Jahren zugenommen, was auf den ersten Blick erfreulich scheint. Doch das Gesamtverbreitungsgebiet dieser nur in Mittel- und Nordeuropa brütenden Art verschiebt sich im Rahmen der Klimaänderungen nach Norden. Somit könnte die Zunahme im kleinen Luxemburg nur eine Momentaufnahme sein. Sein Erhaltungszustand in Luxemburg und in Europa gilt weiterhin als kritisch.

 

Rote Liste nach internationalen und wissenschaftlichen Kriterien

Rote Listen sind ein Spiegelbild unserer Umwelt: in ihnen werden Tier- und Pflanzenarten nach ihrem Gefährdungszustand eingestuft. Rote Listen sollen vor allem die Arten hervorheben, deren Bestände gefährdet sind und die drohen auszusterben. Um weltweit ein einheitliches Bild der am meist gefährdeten Arten zu ermöglichen, hat die International Union for Conservation of Nature (IUCN) ein Kriterien-Schema erstellt, nach dem die Bestände einzuordnen sind. Dies gewährt einerseits, dass Rote Listen auf wissenschaftlichen Kriterien beruhen, und dass sich Entscheidungsträger auf diese Daten für die oft dringend nötigen Schutzpläne für bedrohte Arten verlassen können.

Die Bestandszahlen in Luxemburg stammen aus aktuellen Bestandsaufnahmen, die durch die Centrale Ornithologique Luxembourg (COL) von natur&ëmwelt und ihre Kartierer, größtenteils im Rahmen gezielter Monitoring-Programme und spezifischer Studien, durchgeführt wurden. Diese Daten können in Betracht auf Lebensraum und Vorkommen auf das Land hochgerechnet werden. Sie sind auch Basis für das Reporting im Rahmen der europäischen Vogelschutzrichtlinie und fließen in den Pan-European Common Bird Monitoring Schemes ein. Die Rote Liste der Brutvögel Luxemburgs wird alle 5 Jahre überprüft und gegebenenfalls angepasst.

 

Öffentlicher Vortrag zur Roten Liste der Brutvögel Luxemburgs

Am Mittwoch, dem 23. Oktober um 19 Uhr findet im Haus vun der Natur in Kockelscheuer ein öffentlicher Vortrag zur neuen Roten Liste der Brutvögel Luxemburgs statt. Patric Lorgé, Ornithologe von natur&ëmwelt referiert über die neuesten Entwicklungen, die Ursachen dafür und die Forderungen an die Politik. Eintritt ist frei. Bitte öffentlichen Transport (Haltestellen: Kockelscheuer, Patinoire oder Plateau) oder P&R Kockelscheuer nutzen.