Prozedurvereinfachungen auf Kosten der Natur?

Mit Besorgnis verfolgt natur&ëmwelt die zahlreichen Ankündigungen der Regierung zu den Prozedurvereinfachungen in den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft und Wohnungsbau. Auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt noch keine genauen Details vorliegen, so bergen diese große Risiken für den Natur- und Umweltschutz. Angesichts des schlechten Zustandes der Natur in Luxemburg, sowie der Klima- und Biodiversitätskrise werden hier falsche Prioritäten gesetzt. Vielmehr müsste die Restaurierung und der Ausbau des Naturals vorrangige Aufgabe angesehen und ressortübergreifend angegangen werden.

 

Als Lieferant von Wasser und Lebensmitteln sowie Schutz vor Überflutungen und Dürren ist eine intakte Natur die Grundlage unseres Lebens. Allerdings sind gemäß Observatoire de l’environnement[1] zwei Drittel der natürlichen Lebensräume in Luxemburg in einem ungünstigen oder schlechten Erhaltungszustand. Bei den wildlebenden Tier- und Pflanzenarten ist die Situation noch dramatischer: 80 % sind in einem prekären Erhaltungszustand.

 

Schneller bauen auf Kosten unserer Natur? 

Zweifelsohne gibt es sinnvolle Vereinfachungen, wie etwa die Bündelung von Anlaufstellen, die Uniformierung der Bautenreglemente und die Ausweitung der genehmigungsfreien Bauvorhaben, wenn kein negativer Impakt auf die Umwelt gegeben ist.

Allerdings gibt es in den Ankündigungen der Regierung zahlreiche Maßnahmen, die riskieren einen negativen Impakt auf die Natur zu haben und zudem die legitimen Rechte und Partizipationsmöglichkeiten anderer Bürgerinnen und Bürger zu beschneiden. Dazu gehört zum Beispiel, dass Umweltimpaktstudien erst ab einer Fläche von 4 Hektar nötig sind, dass Kompensierungsmaßnahmen für verschiedene Arten abgeschafft werden oder die Einführung des Prinzips „Silence vaut accord”.

Auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt noch keine genauen Details vorliegen, so bergen diese und andere angekündigte Regierungsmaßnahmen große Risiken für den Naturschutz, welche natur&ëmwelt mit Besorgnis verfolgt. In dem Sinne hat natur&ëmwelt in seiner Stellungnahme zum Gesetzprojekt 8308 (FR) zur Änderung des Naturschutzgesetzes auch seine Bedenken gegenüber der Einführung des „Recours en réformation“ und der „Natur auf Zeit“ zum Ausdruck gebracht.

 

Wo bleiben die Maßnahmen zur Stärkung der Natur?

Auch wenn im Naturschutzbereich durchaus administrative Vereinfachungen unternommen werden könnten, so ist es vor dem Hintergrund des alarmierenden Zustandes unserer Natur bedenklich, wenn Prozeduren abgebaut werden sollen, mit dem Risiko die natürliche Umwelt weiter zu fragilisieren. Stattdessen sollten die Bemühungen zum Erhalt und Stärkung der Natur und Artenvielfalt verstärkt werden. Luxemburg muss schneller und großflächiger wertvolle Habitate schützen und natürliche Lebensräume wiederherstellen und so für eine Erholung der Artenbestände sorgen.

Laut dem Observatoire de l’environnement bieten vor allem die intensive Landwirtschaft, die Zerschneidung der Landschaften durch Verkehrsinfrastrukturen, die Versiegelung der Böden im Zuge der Urbanisierung sowie die weitere Verschmutzung von Gewässer, Böden und Luft durch Verkehr und Industrie der Natur in Luxemburg immer weniger Raum zur gesunden Entfaltung. Daher muss auch die Stärkung, und nicht der Abbau, des Naturschutzes von der Regierung als ressortübergreifende Priorität anerkannt werden.

 

Warum wird der Naturschutz nicht als Chance für die Landwirtschaft genutzt?

Auch im Rahmen des Landwirtschaftdësch versprach die Regierung Vereinfachungen auf Kosten des Naturschutzes, wobei gerade die Bäuerinnen und Bauern selbst auf eine funktionierende Natur angewiesen sind.

Im Vorfeld der Foire agricole appelliert natur&ëmwelt deshalb erneut an die Regierung,  Naturschutz als Chance für die Landwirtschaft zu nutzen. Laut einer wissenschaftlichen Studie[2] sind auf mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Fläche naturschutzfachliche Maßnahmen nötig um den Verlust an Biodiversität zu stoppen.

Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und den sich verändernden Konsumgewohnheiten der Gesellschaft bieten die Wiederherstellung der Natur eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle die Landwirtschaft und stärkt somit die Resilienz der Landwirtschaft und zugleich der gesamten Gesellschaft.

 

[1]https://environnement.public.lu/fr/natur/biodiversite/observatoire_environnement_naturel/aktivitaetsbericht_2017-2021.html

[2] https://environnement.public.lu/fr/natur/biodiversite/observatoire_environnement_naturel/conference-de-presse_17-05-2021.html